Dr. Matthias Pallasch (Exkursion)

Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker mbH, Berlin

Matthias Pallasch ist promovierter Ingenieur. Der gebürtige Solinger absolvierte sein Studium des Technischen Umweltschutzes an der TU Berlin und IST Lissabon. Nach dem Abschluss seines Studiums 2011 arbeitete er für die Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker mbH (IPS) im Bereich der Gewässer- und Moorrenaturierung.  Seit 2014 liegt sein Arbeitsschwerpunkt im Bereich der Blau-Grünen Infrastrukturen. Im Zuge seiner Promotion „Integration dezentraler Regenwasserbewirtschaftung in kommunale Planungsprozesse als Beitrag zu einer wassersensiblen Stadtentwicklung“ arbeitete er drei Jahre am Institut für Raumplanung der TU Dortmund. Als Planungsingenieur bei IPS ist Dr. Pallasch für die Forschung und Entwicklung von Baumrigolen verantwortlich. Neben der Konzeption und Umsetzung von Baumrigolen in bereits ca. 20 Städten begleitete er unter anderem die Forschungsvorhaben KURAS, TREEDRAIN und BlueGreenStreets. Er ist Mitglied im Regelwerksausschuss der FLL für das Thema Regenwasserbewirtschaftung.

EXKURSION am 8. September 2022 - 10:00 Uhr

Baumrigolen in der Praxis

Baumrigolen sind ein Konzept für die Kombination von Baumstandorten und Regenwasserbewirtschaftung. Angetrieben durch die Herausforderung der Klimafolgenanpassung haben sich je nach Standort viele verschiedene Bauvarianten entwickelt. Der Vortrag „Baumrigolen in der Praxis“ veranschaulicht anhand zahlreicher Beispielprojekt, wie groß die Vielfalt möglicher Bauweisen für Baumrigolen ist.

Baumrigolen im engeren Sinne besitzen immer einen unterirdischen Speicher aus dem Wasser versickert, aber auch dem Baum zur Verfügung gestellt werden kann. Es handelt sich somit um eine durchwurzelbare Rigole. Als Substrate kommen daher sowohl konventionelle Kiese und Sande, als auch Baumsubstrate in Frage. Die Zuleitung von Niederschlagswasser in Baumrigolen kann je nach Gefälleverhältnissen flächig oder punktuell, in offenen oder überbauten Baumscheiben erfolgen. Das Niederschlagswasser sickert durch den Wurzelraum des Bodens und kann dabei bereits teilweise vom Baum aufgenommen werden. Auf Grund der Mächtigkeit des Wurzelraums ist die Sickerstrecke somit deutlich länger als bei einer Mulde. Unterhalb des Wurzelraums befindet sich ein zum anstehenden Boden hin (teil-) gedichteter Speicher, welcher sich mit Sickerwasser füllt. Dieser Speicher stellt einen langfristigen Wasserspeicher für den Baum dar, der zu erhöhten Verdunstungsraten während Trockenphasen führt. Die Wasserentnahme wird je nach Randbedingungen z.B. durch den Einbau eines sogenannten Kapillarblocks ermöglicht. Je nach Planungsrandbedingungen können die einzelnen Bausteine anders ausgeführt werden.

Mulden stellen die wohl häufigste Maßnahme der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung im Bereich von Freiflächen und Straßen dar. Zusätzlich zur konventionellen Bepflanzung mit Landschaftsrasen können Mulden mit Sträuchen und Gehölzen ergänzt werden. Insbesondere unter beengten Verhältnissen können Flächenkonkurrenzen zwischen Straßenbäumen und wasser-wirtschaftlichen Flächen aufgehoben werden. Neben räumlichen Synergien führt diese Kombination zu einem besseren Wasserdargebot für Gehölze. In der Planung muss bei Mulden mit Bäumen vor allem auf eine standortgerechte Bepflanzung bzw. Baumartenauswahl geachtet werden.

Tiefbeetmulden sind eine funktionsäquivalente Bauweise der konventionellen, geböschten Mulden. Der maßgebliche Unterschied ist der Verzicht auf eine natürliche Böschung zu Gunsten einer beetartigen Einfassung. Diese Bauweise führt zu einem geringeren Flächenverbrauch. Solche Tiefbeete werden häufig mit Rigolen unterbaut. Hauptanwendungsbereich sind Straßen und Plätze. Tiefbeete eignen sich im besonderen Maße für die Bepflanzung mit Stauden, Sträuchern, und auch Gehölzen. Somit können auf beengten Raum städtebauliche Qualität und dezentrale Regenwasserbewirtschaftung umgesetzt werden.

Offene Baumrigolen werden analog zu Mulden-Rigolen-Elementen geplant. Der Unterschied zu herkömmlichen Mulden-Rigolen sind die verwendeten Substrate, sowie die unterirdische Bodenwanne. Je nach Integration in den Freiraum kann der Zulauf in die offene Baumscheibe punktuell, über Hochbordlücken, aber auch flächig über die Schulter erfolgen. Offene Baumrigolen haben den großen Vorteil, dass das zufließende Niederschlagswasser durch die flächige Bodenpassage besonders gut gereinigt wird.

Bäume sind elementarer Bestandteil von Quartiersplätzen oder Gebäudefreiflächen. Je nach Gestaltungsbild und Flächenverfügbarkeit werden solche Baumpflanzungen als überbaute Baumpflanzquartiere hergestellt. Aus wasserwirtschaftliche Sicht sind solche Anlagen funktionsäquivalent mit Rigolen. Bei der Planung von überbauten Baumrigolen müssen vor allem die Belange der Wasserzuführung und des stofflichen Behandlungsbedarfs sorgfältig geprüft werden. Insbesondere für überbaute Baumscheiben bietet sich die Bauweise als Baumrigole an, damit das langfristige Wasserdargebot für einen vitalen Baumbestand gewährleistet wird. Für eine attraktive und abwechslungsreiche Freiraumgestaltung können offene und überbaute Baumrigolen gut mit einander kombiniert werden.