Sichtungsgarten Stuttgart-Hohenheim
Am 11.06.2019 reiste Marius Tegethoff nach Stuttgart-Hohenheim, um sich gemeinsam mit Herrn Matthias Urmetzer ein Bild vom Sichtungsstandort Stuttgart der Gehölzsichtung und der ADR zu machen. Stuttgart-Hohenheim ist neben Heidelberg eine der zwei Lehr- und Versuchsanstalten für Gartenbau in Baden-Württemberg und hiervon der Standort, an dem die Gehölzsichtung des BdB verortet ist. Hohenheim befindet sich am südlichen Rand der Landeshauptstadt Stuttgart auf der so genannten Filderebene, einer fruchtbaren Lössebene auf knapp 400 m NN. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei 8,8°C, der jährliche Niederschlag im Mittel bei knapp 700 l/m² (Mittelwerte der Jahre 1961-1990; Meteorologisches Institut der Universität Hohenheim)
Staatsschule für Gartenbau Stuttgart-Hohenheim (SfG)
Die Staatsschule für Gartenbau Stuttgart-Hohenheim (SfG) blickt auf eine lange Tradition und Geschichte zurück: Bereits 1780 wurden die ersten „Auszubildenden“ in Hohenheim unterrichtet und ausgebildet: Noch während des Neubaus des Hohenheimer Schlosses sowie des Parks im Stil eines englischen Landschaftsgartens, hat der damalige Herzog von Württemberg festgestellt, dass angemessenes, qualifiziertes Personal nur schwer zu finden war.
Die Ausbildungseinrichtung, eine Knabenschule im damaligen Schlosspark, wurde mit dem Tode des Herzogs wiedereingestellt. Erst 1842/43 wurde unter Eduard Lucas eine 3-jährige Ausbildung wieder aufgegriffen. Seitdem bildet die heutige SfG einen wichtigen Baustein gartenbaulicher Bildung und Forschung in Baden-Württemberg. Nicht zu Unrecht erhebt man in Stuttgart den Anspruch, die „älteste Gartenbauschule Deutschlands“ zu sein.
Aus diesem Hintergrund heraus lässt sich auch ableiten, dass die Staatsschule für Gartenbau bis vor wenigen Jahren eine Einrichtung des württembergischen Wissenschaftsministeriums und zugeordnet war. Die Organisation wurde von der Universität Hohenheim durchgeführt. 2015 wurde die SfG in den Geschäftsbereich des Ministeriums Ländlicher Raum und Verbraucherschutz überführt. Seitdem ist die Staatsschule eine Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau mit bundesweit typischer Organisationsstruktur.
Das historische Erbe ist noch überall spürbar: die Verwaltung, die Unterrichtssäle und das Schülerwohnheim sind auf dem Hochschulcampus in einem Teil des Hohenheimer Schlosses untergebracht. Die circa acht Hektar Versuchsfläche befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Schloss. Die Flächen werden in den kommenden Jahren mit auslaufender Nutzung entflochten. Perspektivisch wird an der Filderhauptstraße ein Neubau für die Staatsschule für Gartenbau errichtet, der den gesamten Lehr- und Versuchsbereich bündelt. So sollen moderne Möglichkeiten für das Versuchswesen sowie den Bildungsbereich geschaffen werden. Ein integriertes und komfortables Studierendenwohnheim ist zudem in Planung.
Weiterbildung und Forschung in der SfG
Die SfG ist eine Weiterbildungseinrichtung. Das klassische Bildungsangebot umfasst Vorbereitungskurse auf die Meisterprüfung im Gartenbau mit den Fachrichtungen Baumschule, Garten- und Landschaftsbau, Gemüsebau, Friedhofsgärtnerei Staudengärtnerei und Zierpflanzenbau. Der Vorbereitungskurs kann als Jahreskurs oder als fünfmonatiger Winterlehrgang belegt werden. Daneben gibt es die zweijährige Fachschule, die mit dem Abschluss Techniker/Technikerin Garten- und Landschaftsbau beziehungsweise Produktionsgartenbau abschließt. Seit 2016 besteht der Lehrgang TechnikerPLUS, der es ermöglicht, nach dem ersten Jahr die berufsständische Meisterprüfung abzulegen und im zweiten Jahr die schulische Prüfung zu absolvieren, die dann zum Technikerabschluss führt.
2019 haben sich in Hohenheim knapp 70 Studierende auf die Meisterprüfung vorbereitet, wovon 15 als Techniker weiterstudieren. Parallel haben gut 30 Studierende die Abschlussprüfung als Techniker angetreten.
Die Versuchstätigkeit hat neben dem pädagogisch-didaktischen Ansatz (für Unterrichtszwecke und für die Fortbildung von Betriebsleitern und Führungskräften im Gartenbau) den primären Wissenstransfer zum Ziel. Das heißt, Erkenntnisse der Grundlagenforschung werden aufgegriffen und in einer anwendungsbezogenen Forschung weiterbearbeitet, auf Praxistauglichkeit geprüft bzw. praxistaugliche Konzepte entwickelt. Das Versuchswesen umfasst beinahe das gesamte gärtnerische Spektrum vom Zierpflanzenbau, über den Gemüsebau, die Staudengärtnerei, die Baumschule bis hin zum Garten- und Landschaftsbau.
Im gartenbaulichen Versuchswesen der Staatsschule werden Demonstrationsversuche vor allem für Unterrichts- und Vortragszwecke, Screeningversuche (z.B. Sortimentssichtungen in den Bereichen Gehölze, Gemüse, Stauden und Zierpflanzen) sowie Exaktversuche zur Prüfung spezieller Versuchsfragen (zum Beispiel Nährstoffversorgung, Pflanzenschutz, Boden und Substrate oder spezielle Kulturverfahren) durchgeführt. Im Rahmen der Versuche im Deutschen Gartenbau "Fachsparte Gemüsebau" liegt die Fachredaktion für Salate und Kräuter sowie in der "Fachsparte Zierpflanzenbau" für Impatiens Neuguinea-Gruppe bei der Staatsschule für Gartenbau Stuttgart-Hohenheim.
Gute Voraussetzungen für die Gehölzsichtung
Der Standort Stuttgart bietet der Bundesgehölzsichtung beste Voraussetzungen, um Sorten und Arten auf ihre Gartenwürdigkeit zu überprüfen. Seit vielen Jahren engagiert sich die SfG als einer der zwölf Standorte der deutschlandweiten Sichtung, die vom Bund deutscher Baumschulen getragen wird. In Hohenheim sind alle aktuellen Prüfsortimente aufgepflanzt: Syringa, Prunus laurocerasus, Prunus lusitanica und Photinia x fraseri, Carpinus, Hamamelis, Hydrangea macrophylla sowie Lagerstroemia. Abgeschlossene Sortimente der Bundesgehölzsichtung werden soweit möglich vorgehalten, um sie weiterhin beobachten und im Rahmen von Vorträgen und Führungen vorstellen zu können (z.B. Hydrangea paniculata, Wisteria). Neben den kulturtechnischen Herausforderungen scheut sich die SfG auch nicht, bei Verdachtsfällen auf auftretende Pflanzenkrankheiten den amtlichen Pflanzenschutzdienst zu Rate zu ziehen. Der kritische Blick wird letztlich benötigt, um gesunde und vitale Sorten für die Praxis und den Konsumenten klar identifizieren zu können.
Coppicing-Projekt
Die SfG ist einer der in die Coppicing-Testung involvierten Standorte. Hier werden aus dem Arbeitskreis Staudenverwendung beim Bund deutscher Staudengärtner Stauden-Gehölz-Mischungen getestet, um letztlich pflegeleichte Pflanzkonzepte zu entwickeln, welche von verschiedenen Nutzergruppen verwendet werden können. 'Coppicing' deshalb, weil die Gehölze in diesen Mischungen in regelmäßigen Abständen auf Stock gesetzt werden sollen, damit sie Teil der Staudenpflanzung bleiben und nicht aus dieser herauswachsen. Aktuell sind sechs Module in der Prüfung, die für unterschiedliche Standortsituationen (eher trocken-warme bis hin zu frischen Standorten) und mit unterschiedlichem Charakter (z.B. unterschiedliche Farbkonzepten, unterschiedliche Höhenstaffelungen) an der LWG Veitshöchheim, an der SfG Hohenheim und an der Baumschule Sämann entwickelt wurden.
Die ADR kommt nach Stuttgart!
Die SfG hat zur Freude des Bundes deutscher Baumschulen ihre Bereitschaft erklärt, ihre Ressourcen und ihr gärtnerisches Wissen in die Allgemeine Deutsche Rosenneuheitenprüfung einzubringen. Nach intensiven Gesprächen und vorbereitenden Maßnahmen, wurde die Aufnahme des Standortes Stuttgart-Hohenheim in die ADR beschlossen. Damit kann die ADR nach dem Ausscheiden des Standorts Zweibrücken weiterhin mit elf Prüfgärten neue Rosensorten prüfen und den hohen Anspruch des ADR-Siegels aufrechterhalten. Im Herbst 2019 soll das erste Prüfsortiment in Hohenheim aufgepflanzt werden.