Peter Meiwald MdB.

Grün online: Sehr geehrter Herr Meiwald, Sie kommen aus Westerstede. Ihnen begegnet daher die Vielfalt und Schönheit der Baumschulprodukte quasi auf Schritt und Tritt. Wie sind Ihre Kontakte zu den Baumschulerinnen und Baumschulern?

Meiwald: Im Ammerland gehören die vielen Baumschulen ganz klar zum Landschaftsbild und sind über den Landkreis hinaus bekannt und berühmt. Persönliche Kontakte habe ich da selbstverständlich über die Nachbarschaft, das Wirtschaftsforum in Westerstede und viele alltägliche Gespräche. Neben den Kontakten in meinem Wahlkreis bin ich Mitglied in der Parlamentsgruppe "Kulturgut Alleen". Unser Anliegen ist es, Verkehrssicherheit und Alleenschutz in der Praxis zu vereinbaren und uns so für den Erhalt von Alleen als wertvolle Natur- und Kulturgüter einzusetzen. Gemeinsam mit Abgeordneten aller Fraktionen habe ich im Oktober zur Gründung der Parlamentsgruppe eine Kaiserlinde in Berlin gepflanzt.

Grün online: Die Gehölze unserer BdB-Betriebe werden nach ganz Europa und Asien geliefert. Grund dafür sind die anerkannten Qualitätsparameter in der Produktion. Dazu gehören auch der integrierte Pflanzenschutz und die Verwendung von Torf. Wo sehen Sie in dem Zusammenhang die Verantwortung der Branche?

Meiwald: Wie auch sonst in der landwirtschaftlichen Urproduktion haben wir auch bei den Baumschulbetrieben Zielkonflikte zwischen wirtschaftlichen Herausforderungen und den heute immer drängenderen Problemen von Klimaschutz, Biodiversitätsschutz und Wasserschutz.

Unter dem Stichwort "integrierter Pflanzenschutz" hat auch die Baumschulwirtschaft Anstrengungen unternommen, den Pestizideinsatz zu reduzieren. Trotzdem wird – nicht erst durch die öffentlichen Debatten um Glyphosat und die bienenschädliche Wirkungen von Neonikotinoide – immer offenkundiger, dass hier noch weiterer Handlungsbedarf besteht. Die Freisetzung von Giften, die in die Natur und – in Gänze oder in Form von Metaboliten – ins Grundwasser gelangen können, muss schnellstmöglich beendet werden. Forschungsanstrengungen müssen insbesondere auf diesem Gebiet der Ökologisierung der Baumschulwirtschaft intensiviert werden.

Torf spielt als Substrat in der Baumschulwirtschaft immer noch eine überragende Rolle. Trotzdem gilt, dass intakte Moore einen besonders guten Kohlenstoffspeicher darstellen. Allein in Niedersachsen, Deutschlands Moorland Nr.1, machen die Treibhausgasfreisetzungen aus Torfabbau und landwirtschaftlicher Nutzung von Moorflächen fast ein Viertel der Gesamtemissionen aus. Zudem beherbergen Moore eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt. Rund zehn Millionen Kubikmeter Torf werden allein in Deutschland jedes Jahr verbraucht, der Großteil davon kommt im Erwerbsgartenbau zum Einsatz. Moorzerstörung für den Torfabbau schadet dem Klima und dem Ökosystem. In Niedersachsen ist bereits ein Viertel aller Hochmoorflächen dem Torfabbau zum Opfer gefallen. Daher müssen zunächst die Privatgärtner auf Torf verzichten, absehbar aber muss auch die Baumschulbranche auf Ersatzstoffe umsteigen, die zum Teil schon auf dem Markt sind, und auch stärker in die Entwicklung von Alternativen investieren. Darüber hinaus muss auch die Politik aktiv werden. Die bestehenden Moorentwicklungskonzepte in den Bundesländern müssen unter Einbeziehung der Landwirtschaft wie der Torfindustrie und innovativer Konzepte wie der Paludikultur zu wirksamen Moorschutz- und Renaturierungskonzepten für lebendige Hoch- und Niedermoore weiterentwickelt werden, in denen Bodenschutz- und Klimaschutz eine stärkere Rolle als bisher spielen.

Grün online: Im Ammerland beteiligt sich die Branche intensiv am Torfersatzforum des Landes Niedersachsen. Dazu zählen auch Versuche mit Torfersatzstoffen. Die Branche plädiert aber dafür, Torf erst dann zu ersetzen, wenn solche Substrate gefunden sind, die gärtnerisch vertretbar und auch ökologisch sinnvoll sind. Wie bewerten Sie diesen Weg eines weichen Exits aus der Torfverwendung?

Meiwald: Eine möglichst konsensuale Herangehensweise ist auf jeden Fall sinnvoll. Jedoch darf dadurch ein Ausstiegsszenario nicht auf den Sankt Nimmerleinstag vertagt werden. Denn bereits 2007 wurden in der Nationalen Biodiversitätsstrategie viele Ziele für den Moorschutz benannt. Es wurde eine signifikante Reduzierung des Torfabbaus ab 2015 bei gleichzeitiger Steigerung der Verwendung von Torfersatzstoffen im Gartenbau beschlossen. Bisher ist aber noch zu wenig passiert. Warum kommt man bei der Suche nach Torfersatzstoffen nicht schneller voran? Scheitert eine echte Markteinführung von Torfersatzsubstraten nur am Preis? Politisch machen wir regelmäßig die Erfahrung, dass eine Erforschung der Alternativen immer erst dann Fahrt aufnimmt, wenn klar ist, dass für die konventionelle Nutzung ein klares Ende abzusehen ist. Dafür brauchen wir eine Roadmap, auch um Investitions- und Planungssicherheit für Substratwerke und Baumschulen zu schaffen. Wir brauchen den Moorschutz – am liebsten gemeinsam mit Landwirtschaft und Torfindustrie, um unsere Klimaziele zu erreichen.

Grün online: Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema für die Branche. Der BdB erarbeitet gerade Leitlinien zum integrierten Pflanzenschutz im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes. Dabei stellen wir fest, dass die damit verbundenen internen Diskussionen um den richtigen Weg oft auch wehtun. Trotzdem sieht die Verbandsspitze in dieser Debatte eine wichtige Weichenstellung für eine zukunftsweisende Diskussion, ohne die heutige gute fachliche Praxis von heute auf morgen über Bord zu werfen. Wir wollen Genese, keine Brüche. Wie bewerten Sie diesen Ansatz aus Sicht des grünen Obmanns für Umwelt und Naturschutz im Bundestag?

Meiwald: Ich freue mich sehr, dass das Thema "Reduzierung des Pestizideinsatzes" im BdB so hoch oben auf der Agenda angekommen ist. Eine nachhaltige und zukunftsfähige Baumschulwirtschaft wird dabei den Fokus immer mehr auf züchterische Entwicklungen und Standortfragen legen und den Einsatz der Giftspritze immer weiter reduzieren. Denn den Menschen ist in der heutigen Zeit die Freisetzung von Umweltgiften, deren Folgen wir häufig nicht zuverlässig abschätzen können, immer weniger zu erklären. Und die Probleme nicht nur der Honigbienen, sondern vor allem auch ihrer wilden Verwandten, führen bei der Ursachensuche eben nicht nur zu verlorengegangenen Lebensräumen in ausgeräumten Landschaften, sondern auch zu den Pestiziden.

Grün online: Eine nachhaltige Weiterentwicklung der Produktion wird die in Deutschland ohnehin schon kostenintensive Produktion weiter verteuern. Viele Baumschuler fürchten, dass sie mit ihren in unserem Land hergestellten Gehölzen gegenüber Billigimporten aus dem Ausland chancenlos sind, weil die Abnehmer am Ende immer auf den Preis schauen. Sehen Sie Strategien dagegen?

Meiwald: Die Sorgen sind absolut nachvollziehbar. "Geiz ist geil" hat sich leider bei vielen Menschen als Einkaufsideologie durchgesetzt. Ich glaube, dass es trotzdem notwendig sein wird, auf Qualität, gute Beratung und einen wieder größeren Bezug der Menschen zu Pflanzen zu setzen. Gerade in Zeiten, in denen Widerstandsfähigkeit gegen die Folgen der Klimakrise ein Kaufargument der Menschen werden muss, brauchen diese entsprechende Informationen und Pflanzen, die dem Standort optimal angemessen sind. Billigimporte können diese Anforderungen eher weniger erfüllen. Eine solche Zukunftsstrategie braucht allerdings auch eine breite gesellschaftliche Debatte, die den Wert eines Produktes wieder mehr in den Blick nimmt und nicht nur den Preis. Eine Rückbesinnung auf alte lokale Sorten kann dazu ebenso beitragen wie ein Bio-Labelling, auch wenn das natürlich noch nicht auf dem Massenmarkt angekommen ist.

Grün online: Eine letzte Frage, Herr Meiwald. Was war das letzte Gehölz, das Sie gepflanzt haben?

Meiwald: Neben dem kleinen Rosmarin, den ich unlängst in mein Kräuterbeet gesetzt habe, war das in der Tat die Kaiserlinde an der Straße des 17. Juni in Berlin.

Grün online: Vielen Dank für das Gespräch.